„Es stehe, so Prof. Peukert, den man mit diesem Satz immer wieder zitieren muss, die fundamentale Frage im Raum, wer in einer offenen Gesellschaft legitimerweise über wahre und falsche Meldungen entscheiden solle.“
Aus „Die digitale Bevormundung“ von Joachim Nikolaus Steinhöfel
So weit, so richtig! 👍
Dazu meine 2 Cent nach wirklichem Genuss dieses Buches:
Tatsächlich ist weiten Teilen der Gesellschaft die Fähigkeit abhanden gekommen, andere Meinungen auszuhalten. Und dieses Phänomen geht leider auf unerträgliche Art und Weise über den reinen Empörismus hinaus. „Hetze“ und „Hassrede“ sind schwammige Begriffe, deren strenge Definition in einem Konstrukt wie einem Nationalstaat schwerfällt – auch weil dieser sich in einer permanenten Entwicklung befindet.
Viel zu schnell wird so im Diskurs per Denunziation der Ruf nach Unterstützung bei der Tilgung unliebsamer Äußerungen durch die großen sozial-medialen Unternehmen/Datenkraken laut, die willfährig, aber am Ende auch im eigenen Interesse auf Druck oder gar Anweisung von staatlichen Institutionen, ihre eigenen Agenden verfolgen.
Je digitaler unser Leben, umso abhängiger sind wir vom Funktionieren der sozialen Netzwerke. Algorithmen versuchen vielleicht, schneller, präziser und mit reduziertem Einsatz menschlicher Ressourcen, Entscheidungen zu treffen, die reproduzierbar für jeden Einzelnen agieren. Davon sind wir jedoch meilenweit entfernt. Viel eher wird bei Meta, Google und Co. immer noch nach Gutsherrenart agiert. Welche Kriterien zur Entscheidung herangezogen werden? Das bleibt oft nicht nachvollziehbar. Sei es die Nase eines Mannes oder die Zahl der Follower einer Influencerin – vor den Algorithmen ist noch lange nicht jeder gleich. Und wird es überhaupt möglich sein, dass für jeden User die gleiche Messlatte angelegt wird.
Ich bezweifle das. Denn am Ende ist das Ziel der riesigen Unternehmen doch, eine Art Staat zu sein. Ohne Land zwar, aber doch mit digitalen Hoheitsrechten, über deren Durchsetzung eine nicht wirklich legitimierte Moralpolizei wacht. Stichwort: „Hiermit stimme ich den AGBs von Meta zu…“ 😉
Und wer weiß, vielleicht muss man sich in ein paar Jahrzehnten als META-Bürger durch das Tragen eines Abzeichens identifizieren, um auch im realen Leben gewisse Vorzüge genießen zu können.
Danke, Herr Steinhöfel, dass Sie mich diese Dystopie durchspielen und konkretisieren ließen. Sie haben mich an Ihrer Seite!